Da es bei unserer Lieblingspflanze eine große Rolle spielt wollte ich hier mal ein paar Informationen bzgl. der Tissue Culture zusammentragen und weiterreichen. Ich versuche hier direkt zusammenzufassen, was ich darüber weiß, was ich selber für Erfahrungen gesammelt habe und was ich darüber gelernt habe. Ich freue mich darübe wenn ihr mir eure Gedanken dazu mitteilt oder vielleicht noch ergänzende Informationen habt!
Tissue Culture
Zell-, Mikro-, Meristem-, in-vitro- oder Gewebekultur (engl. Tissue culture, TC) sind unterschiedliche Bezeichnung für den Vorgang der Pflanzenvermehrung auf Basis kleinster Pflanzenteile unter sterilen Laborbedingungen. Diese Methode ist der Grund dafür, dass heute zum Beispiel Phalaenopsis-Orchideen zu Schleuderpreisen in jedem Discounter stehen, ist aber genauso Motor für ein sich rasant entwickelndes Hosta-Sortiment. Ohne die in-vitro Vermehrung würden wir sehr lange auf neue Sorteneinführungen warten und manche wahrscheinlich gar nicht erhalten. Im Vergleich zur herkömmlichen Vermehrung durch Teilung können hier binnen kürzester Zeit riesige Stückzahlen produziert werden.
Bei der in-vitro-Kultur von Hosta werden als Ausgangsmaterial Triebspitzen eingesetzt, welche zur Bildung von Adventivknospen angeregt werden. In steriler Umgebung werden zuerst Sprossspitzen abgetrennt und obeflächensterilisiert. Die so gewonnen Explantate werden auf ein Nährmedium aufgebracht, welches Nährstoffe und Phytohormone enthält. Im Kunstlichtraum bei exakter Temperaturführung entwickeln sich an den Explantaten nach einiger Zeit Adventivknospen. Die sich entwickelnden Knospen können dann abgetrennt und zur Bildung weiterer Adventivknospen angeregt werden. So können aus wenigen Ausgangsexplantaten große Ausbeuten erzeugt werden. Mark Zilis beschreibt, dass aus einer Hosta mit vier Trieben in 18-24 Monaten etwa 10.000 Pflanzen vermehrbar sind. Die Anzahl hänge jedoch stark von den Kapazitäten des Vermehrungslabors ab. Nach ausreichender Vermehrung werden die Explantate auf ein Bewurzelungsmedium überführt, welches die Wurzelbildung stimuliert. Nachdem die Wurzelbildung eingesetzt hat, werden die Sprosse auf steriles Substrat umgesetzt und abgehärtet. Abschließend erfolgt die Weiterkultur im Gewächshaus.
Jungpflanze frisch aus der Gewebekultur:
(Quelle: sites.psu.edo)
Die hier beschriebene Methode der Vermehrung, ist nur eine von vielen Möglichkeiten in der in-vitro Kultur. Es können je nach Pflanze unterschiedliche Ausgangsmaterialien (Blattgewebe, Meristemspitzen, Wurzelstücke oder auch Samen) verwendet werden und auch die verschiedenen Schritte und verwendeten Zwischenschritte unterscheiden sich von Pflanze zu Pflanze, von Sorte zu Sorte und von Labor zu Labor. Häufig werden Explantate verwendet die dann zur Bildung von Kallus angeregt werden, welcher dann nahezu unbegrenzt vermehrt werden kann und erst abschließend wird durch die Veränderung des Phytohormongehalts im Kulturmedium eine Triebbildung eingeleitet.
Auf dieser Zusammenstellung sieht man, wie sich über den Zeitraum von 8 Wochen aus einem Blattstück einer Petunie langsam Kallus und schließlich kleine Sprossen bilden. Kallus (das was hier auf dem Bild aussieht wie Zucker) besteht aus undifferenzierten Zellen und wird von der Pflanze zum Beispiel als Wundgewebe gebildet und besitzt die Fähigkeit jede Art von Zelle (und somit Organ der Pflanze) zu reproduzieren.
Nicht unerheblich sind zudem das Können und Wissen des Laborteams. Das geht vom Laborleiter runter bis zum Laboranten, der die Explantate entnimmt. Erfahrung und Fachkenntnis ist hier das A und O und können erheblichen Einfluss auf die schlussendliche Qualität haben. Ebenso der grundsätzlich gewählte Weg der Vermehrung. Dazu findet man nur spärlich Informationen, aber ich bin mir sicher, dass hier verschieden Labors teils gänzlich unterschiedliche Ansätze verfolgen.
Punkte, die kritisch zu betrachten sind:
Die Vermehrbarkeit von Pflanzen verhält sich sehr unterschiedlich. Aber nicht nur zwischen unterschiedlichen Gattungen gibt es erhebliche Unterschiede, sondern auch innerhalb einer Gattung lassen sich Sorten unterschiedlich gut über die in-Vitro Kultur vermehren. Dies spüren wir direkt, wenn wir uns auf die Suche nach streaked Hosta begeben. Diese sind meist nur sehr schlecht Sortenecht zu vermehren. (Bsp. H. ‘Gunther’s Prize‘ soll gerade mal 3% sortenecht vermehrbar sein), ähnlich verhält es sich mit manchen panaschierten Hosta. Wer mal einen genauen Blick in ein Vermehrungsquartier eines Staudengärtners werfen konnte, wo getopfte in-vitro-Jungpflanzen stehen, sieht nicht selten dazwischen abnormal gezeichnete Hosta Einzelstücke, die es nicht in den Verkauf schaffen werden.
Dieser Veränderungen während der Gewebe-Kultur, werden unter dem Begriff somaklonale Variation zusammengefasst. Hierfür werden unterschiedliche Ursache vermutet, ganz geklärt scheint mir dies jedoch nicht. In der Kultur von Hosta bedeutet dies, dass sich vermehrt Sports während der in-vitro-Kultur bilden (Bsp. H.‘Blue Mouse Ears‘ bei der in-vitro Vermehrung von H.‘Blue Cadet‘). Dies ist für den Sammler und Züchter durchaus interessant, für denjenigen der „einfach nur“ seine Sorte Massenvermehren möchte ein schwerwiegendes Problem. Wird hier also ungenau gearbeitet oder bei der Weiterkultur kein Augenmerk auf Sortenechtheit gelegt, gelangen unter einem Namen unterschiedliche Typen in den Handel. Somit hängt viel damit zusammen, wie sauber und ordentlich das Vermehrungslabor wirklich arbeitet – dies ist einer der großen Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Laboren.
Ein eigentlicher Vorteil der Gewebe-Kultur ist, die Möglichkeit hier pathogenfreies Pflanzenmaterial zu erhalten. Dies ist zum Beispiel auch ein Grund dafür, warum große Pflanzenzüchtungsbetriebe in-vitro Labore vor Ort haben, um sicherzustellen, dass ihr Züchtungs-Stock sauber ist (und bleibt). Die meisten „gröberen“ Schaderreger, wie zum Beispiel Pilze, dringen nur selten in die häufig zur Vermehrung verwendeten Meristeme (Bildungsgewebe von Pflanzen, mit undifferenzierten Zellen). Bakterien und Viren, welche meist kleiner sind, können dies jedoch schon. Und hier ist ein Knackpunkt erreicht. An mehreren Stufen des Vermehrungsprozesses muss dies berücksichtigt werden. Im Optimalfall wird die Ausgangspflanze und das Endprodukt (stichprobenartig) auf für die Pflanze typische Schaderreger getestet und dazwischen Stufen eingefügt, die der Pathogeneliminierung dienen. Aber ihr ahnt es? Das kostet extra und ist somit eine gern genutzte Stellschraube, um Kosten im Verfahren zu reduzieren. Was haben wir davon? Massenvermehrte, mit HVX befallene Hosta.
Zusammenfassung
Vorteile:
- (theoretisch) Pathogenfrei & sortenecht
- Hohe Stückzahlen aus geringer Anzahl Ausgangsmaterial
- Bei entsprechend hohen Stückzahlen günstigste Vermehrungsmethode
- Neue Sports
Nachteile
- Hohe Abhängikeit vom Geschick und Können des Kultivateurs
- Lange Vorlaufzeiten, hohe Kosten, um Kultur zu initialisieren
- (Pathogenverschleppung)