Das Vorkommen der Hosta-Arten in der Natur
Es wird davon ausgegangen, dass sich die lilienähnlichen Vorfahren der Gattung Hosta im östlichen Zentralchina entwickelten und von dort verbreiteten. Die Verbreitung verlief in zwei Bewegungen. Eine Verbreitungsroute verlief nördlicher ausgerichtet über das südöstliche Russland hin zu den japanischen Inseln Hokkaido und Honshu. Die zweite Route verlief südlicher ausgerichtet, durch die Mandschurei über die koreanische Halbinsel auf die japanischen Inseln. Grenfell & Shadrack (2009) verdeutlichen, dass über den langen Zeitraum der Ausbreitung hinweg sich beide Gruppen sehr unterschiedlich ausdifferenziert haben, jedoch nicht so stark, dass eine Kreuzung der Gruppen nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Rekombination der beiden Gruppen auf den japanischen Inseln führte schließlich zu den japanischen Hosta wie wir sie heute kennen und dazu, dass aufgrund vielfacher Kreuzungen ursprüngliche Arten nur noch in geographisch abgeschiedenen Regionen erhalten blieben (Grenfell & Shadrack 2009, S.13–14).
Durch die aufgezeigten Verbreitungsrouten ergibt sich das natürliche Verbreitungsgebiet der zwanzig Hosta-Arten wie wir sie heute vorfinden (POWO). Von Südost-Russland mit den nördlichsten Vorkommen von Hosta clausa, über die in China endemisch auftretenden H. plantaginea und H. ventricosa, hin zu hauptsächlich in Korea vorkommenden Arten wie H. minor, H. venusta und H. yingeri zu der großen Anzahl japanischer Arten wie H. sieboldii oder H. kikuttii. (Schmid 1991, S.307–312)
Frühe Verwendung der Gattung Hosta in Asien
Belege für eine frühe gezielte Verwendung der Gattung Hosta als Gartenpflanze im asiatischen Raum finden sich nur für den japanischen Sprachraum. So erfolgt die erste Erwähnung der Gattung Hosta unter der japanischen Bezeichnung Giboshi im Text „Hanada no Hyogo“ von Tsutsumi Chunagon Monogatari der um das 11. Jahrhundert entstanden ist. (Schmid 1991, S.236)
Während der Edo-Periode in Japan (1603-1867) spiegelt sich die zunehmende Wertschätzung der Gattung in ihrem Erscheinen in diversen Kunstwerken wider. Der Zugang zu den japanischen Inseln wurde in diesem Zeitraum nur chinesischen und koreanischen Händlern sowie den Kaufmännern der Niederländischen Ostindien-Kompanie gewährt. Aus der aufblühenden Gartenkultur in der Edo-Periode sowie den Handelsbeziehungen zu den Nachbarstaaten resultierte der Import chinesischer und koreanischer Hosta-Arten nach Japan. (Schmid 1991, S.236-237)
Einführung der Gattung Hosta in Europa
Die Niederländische Ostindien-Kompanie spielt eine entscheidende Rolle in der Verbreitung der Gattung. Mit ihr erhielt Engelbert Kaempfer 1690 die Möglichkeit für drei Jahre die japanische Geschichte, Lebensweisen, Geografie und Pflanzenwelt zu studieren. In Kaempfers Werk Amoenitates Exoticae, welches 1712 veröffentlicht wurde, beschreibt er unter anderem die Pflanzenwelt Japans und beschreibt dabei zwei Hosta. Unter den Bezeichnungen Joksan vulgo Giboosi (Hosta ‘Tokudama’) und Giboosi altera (H. ‘Lancifolia’) erfolgt somit die erste schriftliche Erwähnung in Europa. (Schmid 1991, S.237–238)
Hosta 'Tokudama'
Hosta 'Lancifolia'
Quellen: hostalibrary.org
Als Chirurg für die Niederländische Ostindien-Kompanie erreicht 1775 Carl Pehr Thunberg Japan. Als Schüler von Carl von Linné sammelt und katalogisiert er nach binärer Nomenklatur dort an die 1000 Arten, welche er in seinem Werk Flora Japonica 1784 veröffentlicht. Mit seiner Heimkehr 1776 nach Schweden bringt Thunberg erste herbarisierte Exemplare der Gattung Hosta an die Universität Uppsala. Thunberg benennt diese Exemplare Hemerocallis lancifolia und Hemerocallis undulata, nachdem er sie zuerst der Gattung Aletris zugeschrieben hatte (Schmid 1991, S.238). Die Identifizierung der Herbarexemplare legt nahe, dass es sich um Hosta ‘Lancifolia’ und H. ‘Undulata’ handelte, jedoch zweiteres nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist (Juel 1918, zitiert in Schmid 1991, S.238).
Versandt durch den französischen Konsul der chinesischen Provinz Macao erreicht zwischen 1784 und 1789 Saatgut von Hosta plantaginea den Jardin des Plantes in Paris. Dort, aus Samen gezogen, entsteht das erste lebende Exemplar der Gattung Hosta auf europäischem Boden (Hensen 1963). Fast zeitgleich importiert der englische Kaufmann George Hibbert 1790 Hosta plantaginea und H. ventricosa aus China nach England (Köhlein 1993, S.13). Schmid (1991) verdeutlicht, dass durch den erschwerten Zugang zu den japanischen Häfen die ersten Hosta aus europäischen Siedlungen und Kolonien an der chinesischen Küste kamen.
Grenfell & Shadrack (2009) zeigen auf, dass sich Hosta plantaginea aufgrund ihres Dufts zügig in Frankreich und schließlich in Europa verbreitet. Köhlein (1993, S.15) schließt aus ersten Nennungen in deutschsprachigen Fachbüchern, dass erste Pflanzen etwa 1802 in Deutschland verfügbar gewesen sein müssten.
Hosta-Einführungen durch von Siebold
Philipp Franz Balthasar von Siebold, geboren 1796 in Würzburg, trat nach einem umfangreichen Studium der Medizin, Botanik und weiteren Fachrichtungen als Doktor der Medizin der Niederländischen Ostindien-Kompanie bei. Ab 1822 auf der indonesischen Insel Java stationiert, wird er 1823 nach Japan versetzt. Wie alle Fremden durfte von Siebold sich nur auf der Insel Dejima im Hafen von Nagasaki aufhalten. Dort beginnt er eine medizinische Lehrtätigkeit und legt einen Garten mit einer umfang-reichen Sammlung an Pflanzen aus der Region an, welche ihm von seinen japanischen Schülern zugetragen werden. Nachdem er sich eine entsprechende Reputation erarbeitete, wurde ihm das Privileg zuteil sich auf dem Festland anzusiedeln und sich in der Region Nagasaki frei bewegen zu dürfen. An seinem zweiten Wohnsitz legt er erneut einen Garten an und setzt seine Sammlung bis 1828 fort. Das unter den angesammelten Pflanzen auch Hosta-Pflanzen waren wird deutlich, als er ab 1828 beginnt Pflanzen, teils über die Zwischenstation Java, in die Niederlande zu schicken. Unter den ersten Lieferungen befinden sich Hosta longissima, H. ‘Lancifolia’, H. ‘Crispula’, H. ‘Undulata‘ und H. sieboldiana Typ Hooker. (Schmid 1991, S.238–240)
Nach Stearn (1931, zitiert nach Schmid 2010) ist unter der Bezeichnung Hosta sieboldiana Typ Hooker ein Cultivar zu verstehen, welches mit keiner der heutigen Gartenformen verglichen werden kann und komplett aus der Kultur verschwunden ist.
Nachdem Versuch eine heimlich angefertigte Karte Japans auszuführen missglückt, wird von Siebold 1830 auf Lebzeit aus Japan verbannt. Bis dahin hatte er einen Großteil seiner Pflanzen-Sammlung zum Stützpunkt der Niederländischen Ostindien-Kompanie auf Java verschiffen können. Dort identifiziert und klassifiziert von Siebold über 5000 Exponate und schickt diese zum Teil herbarisiert und zum Teil als lebende Pflanze in die Niederlande. Darunter befinden sich Hosta sieboldiana und H. sieboldii. (Schmid 1991, S.239–240)
Hosta sieboldiana
Hosta sieboldii
Zusammen mit der letzten Pflanzen-Lieferung erreicht von Siebold im Sommer 1830 Antwerpen und übergibt seine Sammlung an den Botanischen Garten Gent. Nachdem kurze Zeit später die Revolution für ein unabhängiges Belgien ausbricht, flüchtet von Siebold nach Leiden in den Niederlanden. Zehn Jahre vergehen, bis er Zugriff auf die Pflanzen in Gent erhält. (Grenfell 1990, S.25–29)
In der Zwischenzeit verschriftlichte von Siebold seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in dem mehrbändigen Werk Fauna japonica und sammelt alle Hosta-Pflanzen, denen er in Europa habhaft werden konnte. 1844 gründet er den Gärtnereibetrieb Von Siebold & Co., um die Vermehrung und den Versand seiner Raritäten zu vereinfachen. Aus den ab 1844 bis 1879 veröffentlichten Katalogen der Gärtnerei lässt sich nachvollziehen welche Arten und Sorten der Gattung Hosta von Siebold nun kultiviert und verbreitet (Schmid 1991, S.240). Eine Übersicht findet sich in der folgenden Tabelle:
Jahr | Pflanze | Bemerkung |
1829-1830 | Hosta sieboldiana ‘Hypophylla’, H. longissima, H. sieboldiana Typ Hooker, H. ‘Lancifolia’, H. ‘Crispula’, H. sieboldiana, H. sieboldii | Einführungen des 1. Japan-Aufenthalts |
1844 | H. ventricosa, H. plantaginea | Importe aus europäischen Quellen |
1856 | H. plantaginea var. japonica, | " |
1856 | H. ventricosa ‘Aureomaculata’ | Entstand in Leiden |
1859-1860 | H. ‘Undulata’, H. ‘Tokudama’ panaschierte Form H. sieboldii f. spathulata, H. ‘Silver Kabitan’, | Einführungen des 2. Japan-Aufenthalts |
1862 | H. ‘Tokudama’ | " |
1863-1866 | H. ‘Undulata’ von Siebold selektierter Klon, H. ‘Undulata Univittata’, H. ‘Fortunei Albopicta’, | Selektion und weitere Importe |
1867-1879 | H. ‘Undulata Erromena’, H. sieboldii ‘Alba’, H. ‘Fortunei Aoki’, H. ‘Fortunei Aurea’, H. ‘Elata’, H. ‘Tokudama’, H. ‘Crispula Lutescens’, H. sieboldii gelbe Form; in panaschierten Formen: H. ventricosa, H. ‘Tokudama’, H. ‘Fortunei’, | Einführungen durch Von Siebold & Co. |
Nach langem Bemühen schafft es Siebold 1859, dass ihm die Einreise nach Japan noch einmal gewährt wird und reist mit der Niederländischen Handelsgesellschaft, dem Nachfolger der Niederländischen Ostindien-Kompanie, für zwei weitere Jahre nach Japan. Während dieser Zeit sendet er seine Funde nach Leiden. Nach einem Aufenthalt auf Java kehrt Siebold 1862 nach Leiden zurück und importiert in den folgenden Jahren weitere Hosta, wie aus seinen Kataloglisten hervorgeht. Nach von Siebolds Ableben im Jahr 1866 werden durch den Gärtnereibetrieb weitere Sorten, die in von Siebolds Garten in Leiden entstanden sind, eingeführt. Die Einführungen dieser Zeit können ebenso der Tabelle entnommen werden. (Schmid 1991, S.238–242)
Hosta-Einführung durch Fortune
Robert Fortune unternahm zwischen 1848 und 1862 im Auftrag der Royal Horticultural Society sowie für die Britische Ostindienkompanie mehrere Reisen in den asiatischen Raum und sammelt dort, vorwiegend in China und Indien, neue Pflanzen (Grenfell 1990, S.31). Dem Auftrag der Gärtnerei Standish & Noble aus Bagshot folgend, begibt sich Fortune 1860 nach Japan. Auf dieser Sammelreise besucht Fortune von Siebold und bekommt von diesem eine Hosta. Schmid (1991) zeigt auf, dass es sich bei von Siebolds Geschenk um Hosta ‘Tokudama’ handelte, welche 1862 unter der Bezeichnung Funkia fortunei in England eingeführt wurde. Schmid (1991, S.242–243)
Wie aus der Tabelle hervorgeht hat von Siebold im gleichen Jahr Hosta ‘Tokudama’ mit in die Niederlande gebracht, diese wurde jedoch nicht weiter beachtet und erst 1871 als Funkia sieboldiana var. condensata in das Verkaufssortiment der Gärtnerei Von Siebold & Co. aufgenommen (Schmid 1991, S.243).
Der Einführung 1862 in England von Hosta ‘Tokudama’ als Funkia fortunei folgten in den darauffolgenden Jahrzehnten weitere taxonomische Wirren. Ausgehend von der Annahme, dass es sich um eine reine Art handelte und weitere Cultivare der Art zugeordnet wurden, hat sich bis heute ein schwer aufzuschlüsselnder Komplex an Fortunei-Cultivaren ergeben.
Die fehlerhafte Einordnung als Art ist bis heute in Gärtnereien vorzufinden. Auch wenn die Sorten, welche Fortunes Namen weiter tragen, wenig mit der eigentlichen Einführung Fortunes gemein haben, so ist sein Name unweigerlich mit der Gattung verbunden. (Schmid 1991, S.243)
Quellen
Diese Zusammenfassung der Ergebnisse einer Literaturrecherche wurde der Arbeit "Züchtungsgeschichte und -methoden der Gattung Hosta" entnommen und auf bessere Lesbarkeit hin leicht abgewandelt. Als Quellen dienten:
- Grenfell, D., 1990: Hosta. The flowering foliage plant. Timber Press, Portland, Or.
- Grenfell, D. & M. Shadrack, 2009: The new encyclopedia of Hostas. Timber Press, Portland.
- Hensen, K. J. W., 1963: Identification of the hostas ("Funkias") introduced and cultivated by Von Siebold, Wageningen.
- Köhlein, F., 1993: Hosta (Funkien). Ulmer, Stuttgart.
- Schmid, W. G., 1991: The genus Hosta. Giboshi zoku. Batsford, London, 1. publ.
- Schmid, W. G., 2010: H. sieboldiana. Hosta Species Update.
- Schmid, W. G., 2012: The History of Hosta 'Tokudama'. The Hosta Online Journal (43).
Das Titelbild entstammt der hostalibrary.org, wurde von J. Gamradt bereitgestellt und zeigt Hosta plantaginea